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Merkel im Pseudo-Kampf gegen Big Data, Algorithmen, Google & Co.

Merkel fordert Freigabe der Big-Data-Algorithmen
Merkel fordert Freigabe der Big-Data-Algorithmen

Die alljährlichen Medientage der deutschen Verlegerszene in München: Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert, dass die großen Internet-Firmen wie Google, Facebook, Amazon & Co. doch bitte ihre internen Algorithmen offenlegen mögen und darstellen sollen, nach welchen Methoden Werbung und Informationen selektiert werden. Dadurch sollen die Bürger künftig transparent sehen, was mit ihren Daten gemacht wird und Konsum- und Meinungsverzerrungen demnach verhindert werden. Trojaner-info.de meint: Eine durchschaubare populistische Forderung mit geringer Halbwertzeit und vor allem eine Farce — denn damit würden die Web-Giganten ihren heiligen Gral im Wettbewerb preisgeben: die Daten der Nutzer. 

Es ist anzunehmen, dass ihre Berater Merkel eingeflüstert haben, dass sie den deutschen Verlagen schmeicheln möge und die Bürger zunehmend um ihre Datensicherheit und Privatsphäre fürchten. Kein Wunder:

  • Laut einer aktuellen Telekom-Umfrage ist bereits jeder Zweite einmal Opfer von Cybercrime geworden
  • Die Skepsis gegenüber Unternehmen beim Thema Datenschutz ist immens hoch. Eine Bitkom-Studie zum Thema „Digitale Sprachassistenten als intelligente Haushaltshelfer“ erbrachte, dass 73 Prozent der Skeptiker solche Technologien ablehnen, weil sie Unternehmen ihre Daten keinesfalls anvertrauen wollen. Die letzte alljährliche Bitkom-Umfrage zeigte, dass drei von vier Internetnutzern auf bestimmte Aktivitäten im Internet aus Sicherheitsgründen verzichten — vom Online-Banking, Cloud-Computing, Mitgliedschaften in sozialen Netzwerken bis zu Käufen und Buchungen im Netz.
  • Andere Umfragen belegen: Bürger sind nur eingeschränkt damit einverstanden, mit der Freigabe ihrer personenbezogenen Daten Werbung kommerziell zu refinanzieren.

Merkel und Gabriel: Datensparsamkeit gefährdet Geschäftsinteressen

Angela Merkel bezeichnete Facebook und Google als „Nadelöhr für die Vielfalt der Anbieter", die andere Medienunternehmen durch ihre Datenmacht und Nutzergemeinde gefährde´ten. Bürger und Nutzer würden durch die alleinige Nutzung großer Plattformen und die datenbasierte Informations-Vorselektion nur noch Info-Themen und Werbung präsentiert, die ihrer vorgefertigten eigenen Meinung entsprächen. In einer Demokratie solle jeder Bürger die Fähigkeit haben, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Das Ganze mündet in der Forderung, dass die großen Internet-Player Nutzern offenlegen sollten, nach welchen Kriterien Informationen angeboten werden. Der Beobachter kann den Eindruck gewinnen, dass sich Merkel Gedanken um den Schutz der deutschen Verleger im Wettbewerb, aber auch um Meinungspluralität und den Schutz personenbezogener Daten macht.

Möchte sich Merkel durch ihre Forderungen die Verlegerstimmen für die Wiederwahl sichern? Oder meint Merkel es ernst — mit ihrer Forderung nach mehr „digitalem Gemeinwohl“ und mehr „Transparenz“? SPIEGEL Online kolportiert journalistisch ernsthaft, dass sie sich den Schutz der gesellschaftlichen Debattenkultur auf die Fahnen schreibt … und zitiert flankierend netzpolitischer Sprecher der CDU, die dem vermeintlichen Ansinnen ganzen noch mehr Nachhaltigkeit verleihen sollen. Nun, Merkel ist hinsichtlich ihrer Positionen zum Datenschutz mindestens so beliebig wie Sigmar Gabriel. Denn noch auf dem IT-Gipfel im Herbst verkündeten Kanzlerin Merkel und ihr Vizekanzler unisono, dass das Prinzip der Datensparsamkeit legitimen Geschäftsinteressen nicht im Weg stehen solle. Bei dem „Tag der Deutschen Industrie“ kolportierte die Kanzlerin außerdem, dass „Daten der Rohstoff der Zukunft sind und dass das uns einst vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Prinzip der Datensparsamkeit nicht mehr zur heutigen Wertschöpfung passt“.

Freie Fahrt für maßgeschneiderte Werbung und Datenmissbrauch

Solche Positionen lassen die Vermutung zu, dass Kanzlerin Merkel zum Beispiel den Bestimmungen der im Mai 2016 verabschiedeten Datenschutz-Grundverordnung der EU, mit der die Regeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und die öffentliche Verwaltung europaweit harmonisiert werden, nur mit wenig Begeisterung und eher zähneknirschend zugestimmt hat. Damit können Unternehmen solche Daten nur noch unter strengen Auflagen für legitime Zwecke sammeln. Diese Bestimmungen sollen im Übrigen auch für außereuropäische Unternehmen mit Sitz in Europa wie Google und Facebook gelten. Netzpolitische und gesellschaftspolitische Vorhaben wie die Massenüberwachung durch das BND-Gesetz zeigen überdies, wo die politischen Eliten um Merkel heute in Sachen „Digitalkultur“ stehen.

Wie ernst es die durch den Fake-Angriff der Kanzlerin angesprochenen Internet-Giganten den Datenschutz der Nutzer wirklich nehmen, zeigt nicht nur die jüngste Verschmelzung der WhatsApp-Telefonnummern mit Facebook. Google bricht jetzt offensichtlich mit seinen eigenen Versprechungen. Beim Zukauf von Doubleclick im Jahr 2007 hatte der Google-Gründer Sergey Brin noch versprochen, dass die Privatsphäre von Google Nutzern höchste Priorität habe. Die Internetseite Propublica hat jüngst herausgefunden, dass Google seit diesem Jahr auch personenbezogene Daten aus seinen Services nutzt, um die über Doubleclick ausgelieferte Online-Werbung noch maßgeschneiderter auf den Nutzer zuzuschneiden – inklusive Nutzernamen und sämtlichen Informationen, die Google über seine Kunden sammelt.

Freie Fahrt für datengetriebene Werbeerlöse

Beim Thema Werbung geben die herrschenden politischen Kräfte um Merkel & Co. Gas, dass Bürger sich möglichst nicht mehr vor unliebsamer Werbung schützen können: Die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz forderte zuletzt in ihrem Abschlussbericht, gesetzliche Maßnahmen gegen Adblocker zu prüfen

Eines erscheint völlig klar: Daten sind das Gold der digitalen Werbewelt. Facebook meldete für das letzte Quartal jüngst Werbeerlöse von 5,2 Mrd. US-Dollar — ein Plus von 57 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Bei Google rechnen Analysten für 2016 mit einem Jahreswerbeumsatz von rund 60,4 Mrd. US-Dollar, YouTube noch nicht einmal dazugerechnet. Datenschutzrichtlinien, vor allem in Europa, sind ein lästiges Übel für die Marktmacht … und

TIPP!

Informelle Selbstbestimmung und Schutz der eigenen Daten ist wichtiger denn je. Wie Sie sich am besten schützen können, erfahren Sie über die nachfolgenden Links.  

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