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Bundestag macht Weg für mehr Videoüberwachung und Erfassung von Autokennzeichen frei

Der gläserne Mensch in Deutschland – ohne Privatsphäre und ohne Anlass überwachbar
Der gläserne Mensch in Deutschland – ohne Privatsphäre und ohne Anlass überwachbar

Mehr Gewalttaten. Mehr Terrorismus. Mehr anlasslose, flächendeckende Überwachung. Am Freitagmorgen, mitten in der Nacht, hat der Deutsche Bundestag aufgrund dieser Argumentationskette ein Gesetz über Webcams für Polizisten, stärkere Videoüberwachung und die automatische Erfassung und Lesung von KFZ-Kennzeichen verabschiedet. Konsequenz des Gesetzes: Gleichgültig, wo sich Menschen aufhalten — auf öffentlichen Plätzen, im Stadion, im Supermarkt oder auf der Autobahn auf dem Weg in den Urlaub. Die nun privat stärker zugelassenen Überwachungskameras erfassen Bewegungsprofile und machen die totale Überwachung der Bürger in Deutschland möglich.

Abgeordnete der großen Koalition verteidigten die Änderung des Datenschutzgesetzes mit der Notwendigkeit, mehr Sicherheit schaffen zu wollen. Zudem sei die Zulassung von Videoüberwachung „maßvoll“ erweitert worden. Die Opposition von Linken und Grünen bemängelten das Hau-Ruck-Verfahren, mit dem das Gesetz durch das Parlament gepeitscht worden sei und dass das Gesetz durch diese Form der Vorratsdatenspeicherung massiv die Bürgerrechte aushebele, ohne mehr Sicherheit zu schaffen.

Ist die Verschärfung der Überwachung von Bürgern verhältnismäßig?

Das Hamburger Abendblatt berichtete, dass Datenschutzexperten das Gesetz unterschiedlich bewerten.  So sieht der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar in dem Gesetz „einen Weg für eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums“.  Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans Peter Bull dagegen sieht das Gesetz als „richtig, angemessen, legitim und verfassungsgemäß“ an. Sebastian Alscher, Spitzenkandidat der hessischen Piratenpartei, argumentiert in einer Pressemitteilung, dass die Regierung das „Gefühl einer abstrakten Unsicherheit, basierend auf der Illusion eines jederzeit anstehenden Terroranschlags“ nutzt um die Überwachungsspirale anzuziehen.

Ist das Gesetz verhältnismäßig? Jüngst hat ein UN Berichterstatter kritisiert, dass in Deutschland zu viel überwacht werde. Die Fakten zeigen: Bisher hat kein zusätzliches gesetzliches Überwachungsinstrument bewirken können, dass sich die Sicherheitslage verbessert hätte. Und: Hat die bewusste, öffentliche Video-Selbstdarstellung von Anis Amri  in einigen Berliner Kameras nicht exemplarisch gezeigt, dass diese Form der Überwachung keinen Abschreckungseffekt hat?  Die Piratenpartei geht davon aus, dass das neue Gesetz auf den Tischen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zur Prüfung liegen wird.

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